Von Dietmar Bräuer / BlogTechnikecke

Vom Leistungsmesser mit Trennübertrager zum Leistungsmesser mit Stromwandler für die Audiotechnik.

Bei früheren Aufbauten eines Leistungsmessers wurde parallel zu den Lastwiderständen ein Audioübertragung geschaltet. Damit war galvanische Trennung zwischen Last- und Messkreis gegeben. Wichtig für Messungen an Verstärkern mit BTL-Ausgängen, also Verstärker in Brückenschaltung und Verstärker mit erdfreien symmetrischen Ausgängen.

Nachteil dieser Schaltung: Gleichspannungen können den Trennübertrager zerstören. Bei größeren Leistungen wird ein Vorteiler benötigt, um Übersteuerungen des Übertragers zu vermeiden.

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Hier die Prinzipschaltung des Leistungsmessers mit Stromwandler. Die angegebenen Werte entsprechen einer Ausgangsleistung des Verstärkers von 2 W an 4 Ω.

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Zum Aufbau:
Der Leistungsmesser ist zweizügig aufgebaut. Die Messbuchsen sind durch den Stromwandler vom Leistungskreis galvanisch getrennt. Die Massen der beiden Gleichrichter sind ebenfalls durch die Netztransformatoren getrennt, sodass die ausgangsseitigen Massen der beiden Kanäle erst an den nachfolgenden Messgeräten miteinander in Verbindung kommen können.
Aus Sicht des VDE kann man sagen, dass es sich hier um ein Gerät nach Schutzklasse II handelt. Wenn der Deckel drauf ist, gibt es zumindest keine berührbaren Metallteile, die Netzverbindung haben könnten.
Beim Messaufbau für Verstärker Messungen ist bei externer Triggerung zu beachten, dass die Triggerleitung ebenfalls galvanisch getrennt ist. Bei Nichtbeachten kann es durch die Umwegleitung zu unvorhersehbaren Verkopplungen und Fehlmessungen kommen.
Die an den 0 dBV Messbuchsen anliegenden Spannungen sind direkt proportional zu den auf den Skalen angegebenen Stromwerten, die den primären Lastströmen entsprechen. D.h. bei einem Primärstrom von 0,707 A liegen an den Messbuchsen 0,707 V an. An den -20 dBV Buchsen 10 % und an den -30 dBV Buchsen 3,16 % davon.
Die -3dB-Leistungsbandbreite von Stromwandler und Gleichrichter wurde mit 330 kHz (!) bei einer Eingangsleistung von 2 W ermittelt. Ich habe das mehrfach nachgemessen. Die Leistungsfähigkeit des Stromwandlers zeigte sich auch bei der Messung eines 10 kHz Rechtecksignals sehr deutlich.

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Die Anstiegszeiten (tr) der Impulse gemessen an den 0 dBV-Messbuchsen des Wattmeters liegen bei 1,118 µs ≙ 894,45 kHz. Die Abfallzeiten (tf) betragen 1,126 µs ≙ 888,1 kHz.

Am Ausgang des Messverstärkers (modifizierter Rotel RB930AX) tr = 842,7 ns, tf = 856,1 ns
Am Ausgang des Generators (HP 8116A) tr = 6,26 ns, tf = 6,33 ns

Hieraus lässt sich erkennen, dass der Messverstärker einen größeren Einfluss auf die Flanken des Signals hat als die Messapparatur.

Will man ein 10 kHz Rechtecksignal in der hier erzielten Form übertragen, braucht man dazu mindestens die neunte Oberwelle. Die Oberwellenstruktur von symmetrischen Rechteckschwingungen ist von kubischer Natur. Es bilden sich nur ungeradzahlige Oberwellen. Die erste Oberwelle 3f1 finden wir bei 30 kHz, was der dritten Harmonischen entspricht. Die zweite Oberwelle haben wir bei 5f1 usw., bis wir schließlich mit der neunten Oberwelle bei 19f1 also bei 190 kHz, der 19. Harmonischen, landen. Was die oben ermittelte 3 dB Leistungsbandbreite von 330 kHz glaubhaft erscheinen lässt. Dieser Sachverhalt wird zusätzlich durch die Burstsignale bestätigt.

In Diskussionen taucht immer wieder die Frage auf, warum man bei manchen, durchaus sauber erscheinenden Rechtecksignalen auch geradzahlige Oberwellen findet. Es wird vermutet, dass es hier einen Zusammenhang mit der Flankensteilheit gibt, das ist aber nicht so. Das Vorhandensein von geradzahligen Oberwellen hängt mit der zeitlichen Symmetrie des Signals zusammen. Liegt perfekte zeitliche Symmetrie zwischen positiver und negativer Halbwelle vor, gibt es keine geradzahligen Oberwellen. Weicht die Symmetrie auch nur minimal ab, treten die geradzahligen Oberwellen deutlich hervor. Dieser Effekt lässt sich mit dem Spektrumanalyser sehr schön beobachten und ist für den Symmetrieabgleich eines Rechtecksignals bestens geeignet, so der Praktiker, Mathematiker können das auch berechnen, brauchen aber auch ihre Zeit dazu.

Die folgenden fünf Bilder zeigen die Übertragungsfunktion des Stromwandlers mit verschiedenen Burstsignalen.

 

Bild5Burstsignale 20 kHz bei 1 W, oben linker Kanal, unten rechter Kanal, BNC-Messbuchse 0 dBV.

 


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Burstsignal 100 kHz, oben BNC-Messbuchse 0 dBV, unten Generatorausgang.

 

 

Bild7Burstsignal 200 kHz, oben BNC-Messbuchse 0 dBV, untenGeneratorausgang.

 

 

Bild7Burstsignal 300 kHz, oben BNC-Messbuchse 0 dBV, unten Generatorausgang.

 

 

Bild8Burstsignal 330 kHz, oben BNC-Messbuchse 0 dBV, unten Generatorausgang

 

Der große Dynamikumfang des Stromwandlers trat hervor, als Messungen mit 100 Hz, 1 kHz und 10 kHz mit 12,5 A bei sinusförmigem Spannungsverlauf ohne sichtbare Verzerrungen gemessen werden konnten. Diese Maximalwerte wurden nur über einen kurzen Zeitraum von etwa 30 Sekunden ermittelt, um die Lastwiderstände nicht zu überfordern. Bei einer Frequenz von 20 kHz und einem Laststrom von knapp 14 A an 4 Ω hatte der Verstärker seine Grenze, Input über 1600 W. Für diese Messungen wurde ein Leistungsverstärker aus dem PA-Bereich verwendet. Auch bei dieser extremen Belastung war die Konstruktion aus Stromwandler und Gleichrichter, noch nicht an ihre obere Grenze gestoßen.

Die sachgerechte Funktion des Messgleichrichters bei nicht sinusförmigen Strömen fand darin ihre Bestätigung, dass die Leistungsanzeige beim Umschalten vom Rechtecksignal auf ein sinusförmiges Signal um genau 3 dB (halbe Leistung) zurück ging, bei einem dreieckförmigen Stromverlauf um 4,78 dB, was der Theorie entspricht. Der Gleichrichter hat seine obere Eingangsspannungsgrenze bei 10 Veff. Mit einem 10-kΩ-Poti am Eingang des Gleichrichters konnte die Ausgangsspannung des Stromwandlers um die Hälfte heruntergeteilt werden. Dadurch ergibt sich eine Übersteuerungsreserve von 6 dB, sodass vom Wandler maximal 20 Veff kommen könnten. Der Bürdenwiderstand wurde insofern optimiert, dass die auf den Skalen angegebenen Werte plausibel sind und Proportionalität zwischen Laststrom und Ausgangsspannung an den Messbuchsen gegeben ist. Der Wert der beiden Bürdenwiderstände beträgt etwa 104,5 Ω. Der Abgleich ist so gut, wie es die vorhandenen Referenzgeräte ermöglichten. Mehr als die Ablesegenauigkeit der analogen Instrumente des Leistungsmessers ist aber nicht drin.

Eine Einflussnahme des Stromwandlers auf das Signal findet praktisch nicht statt. Immerhin transformieren wir den sekundärseitigen Bürdenwiderstand im Verhältnis 1 : 10.000 auf die Primärseite. Dort sind es dann nur noch 0,01 Ω + Widerstand der Primärwicklung in Reihe zum Lastwiderstand. Das verfälscht das Signal praktisch nicht mehr, einzige Ausnahme, typischer Weise kommen durch den Trafo leichte Oberwellen hinzu. Hier wäre die dritte Harmonische zu nennen. Deren Pegel ist hier aber kleiner als -60 dB bezogen auf die Amplitude der Grundfrequenz. Für Klirrmessungen empfiehlt es sich, das Messsignal direkt an den Eingangsbuchsen des Leistungsmessers abzugreifen, sofern es die Masseführungen zulassen. Hier war dann kein Einfluss des Stromwandlers mehr zu finden.

Kleiner Exkurs:
Die dritte Harmonische ist aus der Magnettontechnik und von den Röhrenverstärkern bekannt. Hier sprechen wir von magnetischen Verzerrungen. Die dritte Harmonische bildet das Frequenzverhältnis von 3:1, das ist die Duodezime, z.B. c-g´, mithin die Quinte über der Oktave und gilt als konsonant, also mitschwingend. Gut möglich, dass hierin der Wohlklang alter Röhrenverstärker begründet ist. Was da klingt sind also nicht die Röhren, sondern eher die Transformatoren.

Noch ein Wort zur subjektiven Wahrnehmung von Verzerrungen: Wie bei einem Sinussignal Klirranteile von 1 % gut hörbar sind, so können bei einem komplexen Signalgemisch bisweilen 10 % unhörbar bleiben, Stichwort: Verdeckungseffekt.

Übersprechen wurde auch bei Vollausteuerung mit 1 kHz nicht gefunden. Bei 10 kHz ließ sich etwas erahnen, aber unter -100 dB.

Auch die Polung der Signale wurde beachtet, so haben die Ausgangssignale die gleiche Polarität wie die Eingangssignale.

 

Das Herzstück der Apparatur, ein Stromwandler aus dem Hause Pikatron

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Der Stromwandler, hier noch ohne Primärwicklung. Dieses kleine Wunderwerk der Elektrotechnik wurde für diesen speziellen Einsatz erdacht von Dr. Felix Henschke im Hause Pikatron in Usingen und auch dort gefertigt. Ohne dieses Bauteil ginge es nicht, Danke dafür!

Der Kern des Henschketrafos besteht aus kornorientiertem, 0,3 mm dicken Siliziumblech (Kernabmessungen 25x16x10 mm). Bei diesem Material nimmt die Permeabilität mit der Frequenz stärker ab als bei Ferriten und den Eisenpulverkernen. Der gewählte Kern ist bis zu einem magnetischen Fluss von 0,8 bis 0,9 Tesla aussteuerbar. Die im Werk aufgebrachte Sekundärwicklung besteht aus 1000 Windungen Kupferdraht mit 0,2 mm Durchmesser. Die Primärwicklung, die den Laststrom führt, hat einen Leiterquerschnitt von 1,5 mm² und wurde zehnmal durch den Kern des Trafos gewickelt. Zusammen mit den 1000 Windungen der Sekundärwicklung erhalten wir ein Übersetzungsverhältnis von ü=100 und eine schöne hohe Impedanz. Kombiniert mit dem Bürdenwiderstand von 100 Ω ergibt sich daraus ein Strom/Spannungsverhältnis, auch Abbildungsfaktor genannt, von 1V/A. Dieser Stromwandler ist der Theorie nach bis gut 10 A belastbar. Mit diesem Stomwandler wurde mir ein Bauteil an die Hand gegeben, dass aus meiner Werkstatt und besonders aus dem Prüffeld nicht mehr wegzudenken ist.

 

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Aus der ersten Versuchsreihe, Trafo mit Primärwicklung, 10 Windungen für Testmessungen.

 

Die Mechanische Konstruktion

Das Chassis wurde aus 6-mm-HPL-Platten gebaut. HPL-Platten haben zwar keine abschirmende Wirkung gegen elektromagnetische Wellen, sind aber Formstabil und lassen sich gut bearbeiten. Das Material ist wasserfest und isolierend. Zimmerleute und Dachdecker verwenden HPL-Platten für Fassadenverkleidungen und allerlei andere Zwecke. Dieses Material lässt sich zwar mit Maschinen gut bearbeiten, beansprucht die Werkzeuge ziemlich stark. Sägeblätter sind schneller stumpf als bei der Bearbeitung von Holz. Bohrer überstehen mehrere Bohrungen (dutzende) nur, wenn man mit niedrigen Drehzahlen und einem Vorschub arbeitet, der einen kontinuierlichen Span abhebt, ansonsten glühen sie schnell aus. Zur Verbindung der Platten wurden 15-mm-Aluminium-Profile verwendet, rechtwinklig an der Drehmaschine auf Länge gebracht und mit Bohrungen sowie Gewinden versehen. Mit den so erstellten Formteilen wird der Chassisbau zu einem rechtwinkligen Vergnügen.

 

 

In den Skalen steckt auch einiges an Denkzeit drin. Ausgehend von den ersten Überlegungen, wie man diese Skalen einigermaßen sinnvoll realisieren könnte, ist dann letztendlich das hier dabei herausgekommen. Die Leistungsskala hat einen logarithmischen verlauf. Das erspart das Umschalten der sonst üblichen linearen Dekaden. Die sonst logarithmische dB-Skala verläuft dadurch in linearer Einteilung. Als Bezugspunkt wurde 200 W festgelegt, nach oben noch 4 dB Reserve gelassen und nach untenhin laufen die Leistungswerte im 10-dB-Abstand über vier Dekaden. Zugegeben etwas ungewohnt, aber eine sinnvollere Lösung fand ich nicht. Die Skaleneinteilungen verlaufen in Übereinstimmung mit dem Gleichrichter. Zusätzlich wurden im Dekaden Abstand die dazu gehörenden Spannungen und Ströme aufgetragen. Da unser Stromwandler 1V/A liefert, können wir gleichzeitig von den Stromwerten auf die Höhe der Ausgangsspannung an den Messbuchsen schließen.

 

Hier die Skalen im Detail.

 

 

Die Rückseite mit Zugentlastung für das Netzkabel und dem Kabelaufwickler

 

 

In den Abschirmbechern befinden sich die Stromwandler.

 

 

Bild19… hier ist der Handwerker und Mechaniker gefragt.

 

 

Bild20Was man mit den richtigen Werkzeugen alles machen kann, konventionell, nichts mit CNC.

 

 

 

Hier das fertige Gerät mit aufgesetztem Deckel. Ich denke, das Gerät kann sich sehen lassen, was aber das wichtigste ist, es liefert plausible Ergebnisse, denen ich vertrauen kann.

Die Anschlussbuchsen, BNC und Cinch, sind in den jeweiligen Bereichen parallel geschaltet und erlauben den gleichzeitigen Anschluss von Oszilloskopen und Spektrumanalyser, sowie von aktiven Lautsprechern zur auditiven Kontrolle der Signale.

 

 

Dietmar Bräuer im Herbst 2019